9. April/ Buenos Aires / Berlin
Wieder zurück in Buenos Aires. Ich lese Goethes „Italienische Reise“ und mache mir Gedanken über das Reisen als solches.
Im Mittelalter waren es zuerst die Händler, die weite Reisen unternahmen; sie mussten es tun, um zu kaufen und zu verkaufen. Dann kamen die Pilger hinzu, die nach Rom wanderten – oft zu Fuß – um einen Sündenablass zu erreichen. Und schließlich die Schriftsteller, Maler und Architekten die bei ausländischen Meistern lernen wollten oder im Ausland künstlerische Inspiration suchten.
Im achtzehnten Jahrhundert existierte noch kein „Tourismus“ im heutigen Sinne. Reisen war gefährlich, ins Ausland zu fahren war besonders schwierig, denn sehr wenige beherrschten eine Fremdsprache. Die Reisen dauerten sehr lang.
Ich glaube, dass sich Reisen im 21. Jahrhundert verändern wird. „Slow Travel“ die neue Langsamkeit und der Weg wird zum eigentlichen Erlebnis. Die Effizienz der Distanzvernichtung weicht der Renaissance der erlebten Entfernung. Nicht mehr die Ankunft läutet den Urlaub ein, sondern die Abreise von zu Hause.
Elqui Tal/ Berlin 06.04.20
Ruhe, es ist ruhig. Es hat einige Zeit gedauert, dass wirklich empfinden zu können. Im Angesicht der Berge, der Prekordilleren der Anden, verändert sich mein Blick, auch der Blick nach Innen. Achtsamkeit- Vieles bekommt andere Facetten und die Begegnung mit mir wird intensiver. Mir fällt sehr viel ein. Eine neue Idee nach der anderen. Und das beste dabei ist, dass ich alle Ideen einfach weiterziehen lassen. Es ist nicht wichtig sie festzuhalten. Sie wollen sich noch nicht materialisieren, sondern noch etwas herumgeistern….
Es ist eine großartige Auszeit, die ich annehmen und durchleben kann.
Es gab die Zeit schon mal. In der Renaissance beginnt der Mensch intensiv über sich selbst nachzudenken. Verstand und Sinne werden zu Instrumenten, mit denen er das bisherige Weltbild infrage stellt und seine Umgebung neugestaltet. Schöpferische Kräfte werden frei.
Heute sind wir ausgeritten. Die chilenischen Pferde, Crillos, sind toll. Für mich einfach die perfekte Verbindung zur Natur. Langsam bewegen wir uns mit den Pferden durch das staubige Gelände. Diese Pferderasse ist sehr ruhig und trittsicher. Was für ein Glück.
Elqui Tal/ Berlin 01.- 08.04.20
Ab heute werde ich die neuesten Eintragungen an den Anfang des Reisetagebuchs setzen.
Jetzt sind wir schon den dritten Tag im wunderschönen Elqui Tal. Der Himmel ist so blau, dass mir fast schwindelig wird. Und am Abend- so viele Sterne. Ich lese abends in Giovanni Boccaccio- Das Dekameron. Das Buche wurde in der vergangenen Pestzeit an zehn Tagen von einer Gesellschaft, die sich ins Exil begeben hatte, erzählt und aufgeschrieben. Die Gesellschaft besteht aus sieben Damen und drei Herren, die auf der Flucht vor der Pest in einem Landgut leben.
In Berlin bleibt gerade nur die Flucht in die eigene Imagination. Der Himmel ist absolut blau, der schönste Frühling breitet sich überall aus. Wunderschöne Blüten überall. Warum wollten wir eigentlich zum beginnenden Frühling irgendwo hinfahren, wo es bereits Herbst ist. Ich werde nachdenklich. In Deutschland reden jetzt alle vom Herbst. Im Herbst passiert das und das. Im Herbst kann man wieder das und das machen…. Was wird jetzt aus Frühling und Sommer?
Das Intensiv Seminar heißt „The Journey“. Es geht darum, die Kraft des Elqui Tals zu nutzen, um etwas Neues zu entwickelt oder etwas Angefangenes weiter zu entwickeln. Die Kraft ist spürbar und hat uns schon in kurzer Zeit beflügelt. Wir haben Ideen für ein sehr schönes Produkt ….. , das wir gerade umsetzen.
Im Anfängergeist gibt es viele Möglichkeiten, im Geist des Experten nur wenige.“ (Shunryu Suzuki Roshi)
Deutschland wird gerade von einigen Experten beraten….. Neue Möglichkeiten wurden noch keine entwickelt….
Aber jetzt erstmal wieder zurück….
Die Berghänge ringsherum wirken karg. Heute morgen habe ich ganz früh meine Yogamatte draußen ausgerollt und Richtung des Bergs Mamalluca mein Yoga praktiziert. Es war etwas kühl, den hier ist jetzt Herbst. Aber das Jahr über hat das Elqui Tal 300 Sonnenstunden.
Heute Nachmittag nach einer Seccion unter dem großen Baum im Garten, wollen wir mit unserer Workshop Gruppe ein Weingut besuchen- Viña Cavas de Valle. Das besondere, es ist das nördlichste und höchstgelegene Weingut Chiles. Hier herrscht Wüstenklima.
Buenos Aires/Berlin 30.3.20
Ich habe immer Tagebuch geschrieben, wenn ich auf Reisen war. Oft bin ich alleine gereist, aber genauso oft auch mit Partner.
Die erste wirklich außergewöhnliche Reise mit besonderer Auszeit habe ich ´89 nach Australien unternommen. Sechs Monate mit Rucksack und einem Freund durch den Kontinent. Auf diese Weise war ich auch beim Mauerfall nicht anwesend und habe kein Bild im Kopf zu dem historischen Moment. Wir erinnern uns- es gabt das Internet noch nicht. Australien war Down under.
Ich habe die Erfahrung gemacht, Reisen wirft einen auf einen selber zurück. Das Reisetagebuch aus Australien liest sich wie ein Abenteuerroman geschrieben von Münchhausen….
In dieser besonderen Auszeit habe ich das Reisetagebuch wieder zur Hand genommen, um darin zu lesen. Ich bin erstaunt wie klar viele Gedanken sind. Klar und tiefgründig, poetisch, verrückt… Zum Beispiel, dass ich um das Datum des Mauerfalls geschrieben habe „There are no fences to sit on“.
Zu dem Zeitpunkt an dem ich diese neue Tagebuch beginne, bin ich in Buenos Aires. Es ist der 30. März 2020 und ich bin seit zwei Tagen hier in der Stadt meiner Träume. Diesmal wird es ein digitales Reisetagebuch und die Reise findet in meiner Phantasie statt. Wir erinnern uns- ein Virus hat sich ausgebreitet, Grenzen sind geschlossen, Flugzeuge am Boden, Träume zerplatzt…. Oder eben doch nicht.
Ich mache meine Reise, aber in meinem Kopf.
Reisetagebuch einer besonderen Auszeit
Da es morgen weiter nach Chile geht, habe ich die ersten Tage im Garten des wunderschönen Hotels verbracht. Ich will ankommen. Der Flug war lang und vier Wochen Reise liegen vor mir…..
La Serena/ Berlin 31.3.20
Heute wieder ein Reisetag. Mit Samuel mache ich mich auf den Weg nach Chile zu unserem Intensiv Workshop „The Journey“. Acht Tage werden wir an einem sehr besonderen Ort kontemplieren.
ElquiTerra befindet sich im Herzen des Elqui-Tales, ungefähr 540 km von Santiago de Chile und 62 km östlich von la Serena und in der Nähe der bekannteren Atacamawüste. Der Lonely Planet wählte das kleine Elquital im Norden Chiles zu DEN Reisezielen, die auf jeder Urlaubsliste stehen sollten. Hier herrscht Ruhe und die Sterne sind Grund für die zunehmende Popularität des Elquitals.
Das fruchtbare Tal liegt wie eine grüne Oase inmitten der Prekordillere der Anden. An über 300 Tagen im Jahr befindet es sich unter wolkenlosem Himmel, von dem es heißt, dass er nirgendwo auf der Welt sauberer sei.
Das intensive Himmelsblau bildet einen wunderbaren Kontrast zu den bräunlich goldenen Bergen der Anden und den tiefgrünen Feldern mit Rebstöcken, Avocadobäumen und unzähligen Obstarten, die sich an den Hängen auf fruchtbarstem Boden ausbreiten.
Es ist eine ganz besondere Energie, die man hier spürt. Und nicht zu vergessen: Das Elquital ist die Heimat des Pisco, einem aus Traubensaft gewonnenen Branntwein, der Grundlage für das bei den Chilenen beliebteste alkoholische Getränk – den Pisco Sour.